Kassenärztlicher Notdienst – ein Blick hinter die Kulissen

26. Juli 2019

Dass der kassenärztliche Notdienst eine wichtige Institution ist, steht außer Frage. Die Notfallambulanzen unserer Krankenhäuser würden sonst von Bagatellen überschwemmt werden für einfach Erkrankungen wie fieberhafte Harnwegsinfekte, Gastroenteritiden, Rückenschmerzen, et cetera. Dieses ist jedoch derzeit schon der Fall – zum einen, weil die Patienten anstatt des kassenärztlichen Notdienstes direkt die Rettungsstellen aufsuchen, zum anderen aber auch wegen der teils sehr unterschiedlichen Qualität der Versorgung.

Ich möchte einmal aus meiner Sicht berichten. Ich – seit 8 Jahren niedergelassener, fachärztlich-nephrologisch tätiger Internist. Neben unserer normalen Praxisöffnungszeiten, die auch den Samstag umfassen, habe ich seitens der Kassenärztlichen Vereinigung die Pflicht, eine 24/7 Rufbereitschaft für Dialysepatienten in meinem Versorgungsgebiet sicherzustellen. Das bedeutet: Bereitschaftsdienst für einen Arzt und eine*n Dialysepfleger*in mit einer Einrückzeit von 30 Minuten ins Krankenhaus. Warum ist das so? Die Versorgungsstrukturen in der Nephrologie sind so, dass hier an keinem der Krankenhäuser nephrologische Fachabteilungen mit Dialyse vorgehalten werden und wir damit die Notfälle übernehmen.
Dazu zählen: Transplantationsalarm, Notfalldialysen oder Plasmaaustausche falls notwendig, weiterhin Infektionen an Peritonealdialysekathetern, etc. Häufig wird die Rufnummer auch für aufschiebbare Konsile seitens der Krankenhäuser genutzt.

Ich teile mir diese Pflichtdienste mit 3 weiteren Kollegen. Soll heißen: von 52 Wochen im Jahr habe ich umgerechnet 13 Wochen 24 Stunden Dauerdienst, den ich auch nicht einfach weiterdeligieren kann. Macht also 2184 (13*7*24) Stunden Bereitschaftsdienst, ausgenommen natürlich die Zeiten, in denen ich sowieso die Praxis besetze, also regulär arbeite.

Hinzu kommt der kassenärztliche Notdienst, der mit 6 Diensten pro Jahr recht easy erscheint, zumal der nicht immer 24 Stunden geht, sondern auch mal nur 4 Stunden betragen kann.

Letzterer stört mich aber am meisten. Warum? Nunja, dass ich als Facharzt in der Regel die Versorgung meiner Patienten sicherstelle, steht für mich außer Frage, gleichzeitig muss ich aber auch noch 6 Tage im Jahr zusehen, dass ich mir da vom nephrologischen Zwangsdienst frei nehme (einen Kollegen verpflichte) und meinen KV-Dienst mache – oder – was einfacher ist: ich zahle Geld dafür, dass ein anderer Kollege meinen KV-Dienst erledigt.

Letzterer Weg ist derjenige, den ich gehe. Für ca. 60 Euro/Stunde plus die generierten Einnahmen kann man häufig Kollegen finden, die diese Dienste schultern. Bei teils 23 Stunden pro Dienst kommen da ganz erhebliche Summen zusammen.

Wer macht die Dienste? Nunja, in der Regel habe ich die Dienste an Allgemeinmediziner abgegeben, deren tägliches Geschäft die ambulante Versorgung eben gerade der Krankheitsbilder im Notfalldienst ist. Die Kollegen sind verlässlich, versiert und gewissenhaft. Dass es auch andere Kollegen gibt, die sich nicht durch Kompetenz und Engagement auszeichnen, ergibt sich von selbst. Gleichzeitig werden auch alle anderen Fachrichtungen (Neurologen, Gynäkologen, etc.) zu dieser Versorgung verdammt. Viele der Kollegen machen eine hervorragende fachärztliche Betreuung in ihrem Beruf, haben aber mit den häufig allgemeinmedizinischen oder notfallmedizinischen Maßnahmen seit Jahrzehnten nicht mehr zu tun. Wenn diese sich nun keinen Vertreter leisten können oder finden, sind sie verpflichtet den Dienst anzutreten, was meistens in einer Schwemme an Einweisungen zu erkennen ist. Das ist weder für den einweisenden Arzt, noch für den Patienten oder das Krankenhaus eine gute Situation. Die Notaufnahme platzt vor lauter fehlgesteuerten Patienten aus allen Nähten und die Versorgung von wirklichen Notfällen wird erschwert, da zu viele Patienten gesichtet werden müssen.

Nach meiner Meinung ist ein Ausstieg aus der generellen Verpflichtung für die KÄND unumgänglich – die Versorgung sollte in die Hände von allgemeinmedizinisch tätigen Kollegen gelegt werden, die diese Dienste entweder freiwillig neben ihrer Praxistätigkeit oder im Angestelltenverhältnis bei der KV oder einer von ihnen gegründeten Gesellschaft durchführen. Hierdurch wäre das Dilemma der fachlich falsch besetzten Dienste gelöst und viele der dadurch entstehenden Probleme behoben. Spezielle Schulungen könnten helfen, diese Ärzte immer wieder auf das Erkennen von kritischen Situationen zu sensibilisieren, um dann ggf. den Rettungsdienst bzw. den Notarzt nachzufordern.

Fachlich-qualitativ dürften alle davon profitieren.

@kaant