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#ÖkonomisierungTWNKNHS

Ökonomiserung aus Sicht von twankenhaus-Mitgliedern

3760 € für 5 Minuten Vorhofflimmern

23. September 2020

Die Intensivstation ist eine der teuersten Abteilungen des Krankenhauses, ein Intensivbett kostet alleine zwischen 1100 und 1500 € pro Tag. Und wo viele Kosten entstehen, werden vom DRG-Katalog auch hohe Gelder vergütet. Ich will nicht zu sehr auf das hochkomplexe System aus Fallpauschalen, OPS-Prozeduren und PCCLs eingehen aber gerade hier zeigt sich wie krank das System ist und dass die Vergütung oft wenig mit tatsächlicher Erkrankungsschwere und wirklichem Behandlungsaufwand zu tun hat.
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Merci? – Nein, danke!

23. September 2020

Es ist 11:45 Uhr, ich komme zur Arbeit. Das erste was ich gesagt bekomme, wohlgemerkt ohne irgendeine Art von Übergabe, ist, dass ich für 25 Patienten das Mittagessen austeilen darf. Danach bin ich dafür zuständig, fünf Zimmer zu putzen, aufzufüllen und die Betten neu zu überziehen. Die Übergabe verpasse ich, weil vom Frühdienst Tätigkeiten liegengeblieben sind, die nicht bis zum Spätdienst unerledigt bleiben sollen. Egal, meine Aufgabe werden eh nur Hilfstätigkeiten wie die oben genannten und Vitalzeichen kontrollieren sein.
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Warum ich der Klinik den Rücken kehrte.

21. September 2020

Vor elf Jahren war für mich klar – ich möchte als Diätassistentin arbeiten. In einer psychiatrischen Einrichtung. Als Reaktion auf meine Job-Wahl in der Psychiatrie folgte mir bis zuletzt die Frage: „Was machst du denn da als Beraterin? Die sind doch (nur) psychisch krank“. Das waren noch die nett formulierten Aussagen aber sie bestätigen mir das, was viele über die Betroffenen denken. Ernährungstherapie in psychiatrischen Einrichtungen wird nicht ernst genommen. Wieso eigentlich nicht?

Ein Hauptgrund für die Job-Wahl war genau diese Stigmatisierung und sie geschieht nicht ausschließlich unter Fachfremden. Selbst Menschen, die ebenfalls im Gesundheitswesen tätig sind, neigen dazu. Ich erinnere mich noch heute an die Aussage vom Chefarzt der Klinik, psychisch kranke Menschen würden keine Ernährungstherapie benötigen. Wenn doch, sei sie ohnehin aufgrund mangelnder Compliance oder „wichtigeren“ Problemen überflüssig. Derartige Aussagen bekam ich sehr oft zu hören.

Aber warum? Psychisch Erkrankte leiden ebenfalls unter Diabetes, Steatohepatitis, Gicht oder Adipositas. Nicht nur die „gesunde“ Bevölkerung. Manche haben krankheitsbedingt sogar ein noch höheres Risiko für Folgeerkrankungen. Es ist dann eine Nebendiagnose, aber sollte sie deswegen unbehandelt bleiben? Hinzu kommt: einige Psychopharmaka tragen ihren Teil zur Gewichtszunahme bei. Die PatientInnen brauchen also auch in Krisen-Situationen eine Betreuung. Egal, ob sie zwei Wochen, sechs Monate oder lebenslang in Betreuung sind.

Soweit so gut. Wieso machen wir das also nicht einfach?

Die Ernährungstherapie bringt der Klinik aber in der Regel kein Geld. Sollten PatientInnen mit Diabetes (Zufallsbefund bei Aufnahme) eine Ernährungstherapie erhalten? Ja. Sollte ein Mann mit Essstörung, begleitend zur Psychotherapie, eine Ernährungstherapie erhalten? Ja.

Sollten PatientInnen mit Leberzirrhose, auf der Suchtstation, eine streng eiweißarme Kost erhalten? Nein. Wird dies noch häufig von der Station angefragt? Ja.

Bei 850 Betten gab es natürlich rege Nachfrage nach Beratungen, aber ich konnte sie aufgrund von Zeitmangel schlicht nicht durchführen. Wenn es gut lief, konnte ich einmal die Woche für zwei Stunden (jeweils 30 Minuten für Anamnese & Beratung) Beratungen machen. Außer es war Ferienzeit oder es waren viele krank, oder es war mal wieder Personalmangel… (ihr könnt euch vorstellen, wie das lief). Für die zwei Stunden musste ich sehr lange mit dem stellvertretenden Küchenleiter verhandeln. Er sah es nicht so gerne, wenn ich die Küche verließ. Bin ja schließlich als Küchenpersonal eingeplant und fehle dann dort. Ich verstehe seine Sicht als Personalplaner, aber ich wollte einfach meinen Job machen und mich nicht schlecht fühlen müssen, weil ich auf Station gehe. Von den KollegInnen, die sich dann echauffierten, warum ich zum Beispiel im Büro am PC saß (anstatt zu arbeiten ????) oder auf Station ging, ganz zu schweigen.

Die Kostenstelle für uns Diätassistenten ist in dem Haus schon immer der Küche zugeordnet. Das liegt daran, dass wir häufig nicht als TherapeutInnen, sondern eher als „Diät“-Köche gesehen werden. Das liegt natürlich auch an unserer beruflichen Vergangenheit, was ich hier aber aus Platzgründen nicht weiter ausführen kann. Der Punkt ist: es gibt keinen finanziellen Anreiz für die Klinik, das Problem zu ändern oder zu lösen. Wir kosten Geld und niemand möchte uns als „Kostenfaktor“. So bleiben wir als „Mädchen für alles“ in der Klinikküche und machen einen unlösbaren Spagat.

Wir werden so ausgebildet, dass wir Ernährungstherapien durchführen, aber auch das Versorgungsmanagement einer Großküche händeln können. Wir sind in der Lage, diätetische Sonderkost zuzubereiten, Kostpläne zu berechnen, um Warenwirtschaft kümmern usw. Wir kümmern uns um das Zubereiten der Sonderkosten, kontrollieren die Essensausgabe, machen die Bestellungen, bearbeiten Reklamationen oder Rückfragen. Je nach Aufgabenverteilung im Haus.

Ich war dort knapp zehn Jahre tätig. Natürlich habe ich versucht, etwas zu ändern und auch das Gespräch mit den Verantwortlichen gesucht. Ich habe sehr viele Unterhaltungen geführt, bekam häufig auch Zustimmung, wurde aber immer wieder vertröstet. Ich habe in der Chefärztekonferenz der Klinik vorgesprochen, warum wir mehr Zeit für die Patienten benötigen. Es stimmten zwar alle zu, dass die Ernährungstherapie wichtig ist, aber keiner wollte oder konnte mir helfen. Also blieb alles beim Alten. Ich war die meiste Zeit die alleinige Diätassistentin für ein 850 Betten-Haus. Immerhin konnte ich nach einigen Jahren erwirken, dass ich eine weitere Diätassistenten-Stelle genehmigt bekam, da der Workload einfach zu viel wurde und es keine Vertretung für mich gab.

Ich war die mangelnde Wertschätzung für mich, meine Arbeit und für die Patienten leid und bin gegangen. Ich habe aufgegeben, aber viel Vorarbeit für meinen Nachfolger geleistet. Die zweite Stelle ist nach meinem Weggang noch immer unbesetzt, da die BewerberInnen fehlen. Immer weniger DiätassistentInnen wollen sich nach der anspruchsvollen Ausbildung/Studium in die Küche stellen.

Mein Nachfolger hat jetzt im Herbst wichtige Gespräche und ich wünsche ihm und den PatientInnen, dass unser Beruf endlich in den internen „Therapeutenpool“ aufgenommen wird. Dort sind bereits alle Therapeuten in einer Kostenstelle zusammengefasst. Sporttherapeuten, Ergos, Physios … Das würde bedeuten: keine Stelle in der Küche, sondern mehr Therapiezeit. Warum wir da bisher nicht waren? Weil wir nicht als Therapeuten wahrgenommen werden. Man hat(te) uns einfach nicht auf dem Schirm.

Für den öffentlichen Dienst wäre diese Änderung doch recht schnell gegangen, oder? Was sind schon zehn Jahre.

*Die Autorin dieses Beitrags möchte anonym bleiben.

Von der Kritik über das Ideal zur Realität

21. September 2020

Wohl kaum jemand käme auf den Gedanken, in der Kommerzialisierung des Gesundheitswesens etwas Gutes zu sehen. Aber nichtsdestotrotz reagieren viele auf die gegenwärtige Finanzierung und Ausgestaltung eines entscheidenden Teils unserer Daseinsvorsorge mit einem achselzuckelnden Verweis auf die Alternativlosigkeit der Fallpauschalen – wer keine Lösung hat, möge sich doch auch mit Kritik zurückhalten. Manch einer glaubt vielleicht sogar daran, dass der Wettbewerb unter den Krankenhäusern die Qualität steigere. Was zynisch ist, wird doch primär nicht gute Qualität vergütet.
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Kinderarzt sein, ökonomisch arbeiten oder sich dem Kommerz unterwerfen?

20. September 2020

Die Zeit in der Klinik

Mein Leben als Arzt steht unter dem Zeichen des Geldes, des Kommerzes, nicht etwa des Heilens, dem Menschen zu helfen oder sonst einem altruistischen Nonsens. Das klingt schlimm, und medizinisch unethisch, aber beim Nachdenken über das Thema des „kranken Kommerzes“ kommt mir genau das in den Sinn.

Als ich noch Assistent im Krankenhaus war, ging es zunächst darum, das stationäre Kind wieder gesund zu bekommen, also wieder zu entlassen. Das ist ganz heroisch wünschenswert, patientenorientiert und kindergerecht. Aber eigentlich ging es darum, Kind A zu entlassen, um Kind B aufzunehmen. So war es während meiner Assistenzarztzeit üblich, jedes Kind mit Einweisung immer aufzunehmen. Es wurde nie hinterfragt, auch wenn wir sehr wohl wussten, dass manche Kinder eingewiesen wurden, weil das Wochenende drohte oder die/der niedergelassene KollegIn den Eltern gegenüber ein Zeichen setzen wollte. Da waren oft Kinder dabei, bei denen wir uns fragten, ob die wirklich die Nacht in der Klinik verbringen mussten. Seitdem ich selbst in der eigenen Praxis arbeite, sehe ich, wie selten man wirklich in die Verlegenheit kommt, ein Kind zur Behandlung ins Krankenhaus zu schicken. Aber damals war es anders: Kind wurde eingewiesen, das Kind hatte mindestens eine Nacht im Krankenhaus zu verbringen, das brachte Geld. Entlassungen mussten am Nachmittag stattfanden, dann konnte man die Kinder noch „eingruppieren“, so hieß das, d.h. sie zählten noch als stationär für diesen Tag, das erlöste Geld.
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Ökonomie und die sichere Geburt – Eine Patientinnensicht

19. September 2020

Mein Name ist Teddy, ich bin 27 Jahre alt, Mutter zweier Töchter und ich möchte heute über Geburten reden. Meine zweite Tochter ist zwei Wochen alt und die Geburten hätten unterschiedlicher nicht sein können. Woran lag das? Klar, es war diesmal nicht das erste Kind. Aber auschlaggebend war, dass ich diesmal eine Hebamme bei mir hatte und das die ganze Zeit, ab dem Beginn der Eröffnung.

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Ich hab doch keine Zeit…

18. September 2020

Häufig höre ich von Patienten auf die Frage nach regelmäßigen sportlichen Aktivitäten, dass neben Alltag und Beruf keine Zeit für die eigene Gesundheit bleibt. Wir im Gesundheitswesen sehen diese Menschen dann erst, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist bzw. Krankheitssymptome auftreten. Schmerzen korrelieren laut Studien häufig mit vermehrtem Stress und Depression. Nachzulesen bei z.B. Wippert&Wiebking 2016.

Aber warum nehmen sich die Menschen keine Zeit für sich selbst? Weiterlesen…

Der Oma ihre neue Hüfte

18. September 2020

Es ist Freitagabend 23:30h die ZNA ist voll, Patienten reichen sich die Klinke in die Hand. Gestresste Ärzte in Weiterbildung versuchen im Trubel selber nicht unterzugehen.

Die Wagenhalle ist voll mit KTW, der letzte bringt die klassische Schenkelhalsfraktur nach Stolpersturz über Teppichkante in häuslicher Umgebung.

Die Dame ächzt unter Schmerzen, der Blick auf das fehlrotierte verkürzte linke Bein offenbart die Blickdiagnose. Es ist 23:50h die Dame ist zwischenzeitlich geröntgt, das EKG und die Blutentnahme laufen.
Frau Müller ist schockiert, sie braucht eine „neue Hüfte“ und bittet darum, die Tochter anzurufen. Auch diese ist schockiert, verspricht aber die Medikamentenliste mitzubringen und auch die altersschwache Katze der Mutter zu füttern und zum Aufklärungsgespräch vorbeizukommen.

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Thesenpapier des Twankenhaus e.V. zur zunehmenden Kommerzialisierung und fehlgeleiteten Ökonomisierung des Gesundheitswesens

18. September 2020

Das Twankenhaus hat sich seit seiner Gründung zum Ziel gesetzt, die Missstände im Gesundheitswesen zu benennen und Lösungsansätze aufzuzeigen. Wir meinen: Von der Maßgabe einer menschlichen Medizin für Patient:innen und Gesundheitsberufe müssen sich Politik, Akteur:innen und Arbeitgeber:innen bei der Gestaltung des Gesundheitssystems leiten lassen.

Die zunehmende Kommerzialisierung und fehlgeleitete Ökonomisierung des Gesundheitswesens stehen diesem Leitgedanken nahezu konträr entgegen.

In der Themenwoche #WunschUndWirklichkeit im Mai 2019 haben die Auswirkungen der Kommerzialisierung auf den medizinischen Arbeitsalltag einen großen Teil der Debatte gestaltet. Die Analysen dazu sind auch in unserem im Oktober 2019 veröffentlichten Positionspapier zu finden. Wir haben uns auch mit unserer Mainzer Erklärung im September 2019 gegen die fehlgeleitete Ökonomisierung in allen Sektoren gestellt und das Twankenhaus hat im Oktober 2019 den Appell „Mensch vor Profit“ unterstützt.

Nun werden wir in einer Themenwoche noch intensiver zur Kommerzialisierung der Gesundheit und was dies mit Patient:innen wie Angehörigen der Gesundheitsberufe macht, diskutieren und arbeiten. Zum Auftakt dieses Diskurses haben wir einige grundlegende Thesen, die unsere Haltung bislang geprägt haben, formuliert. Weiterlesen…