Ich bin Weiterbildungsassistentin im Fach Orthopädie und Unfallchirurgie, Partnerin und Mutter. Seit ich Ärztin bin, sah und sehe ich viele meiner Kommiliton*innen und Arbeitskolleg*innen zweifeln. Von ursprünglich acht meiner besten Freundinnen, die in einem chirurgischen Fach angefangen haben, ist noch eine übrig.
Ich habe Kollegen gesehen, die mit 40° Fieber in einer OP am offenen Herzen standen, Kollegen, die mit einer Myokarditis zum Arbeiten kamen und damit ihr Leben aufs Spiel setzten. Ich sehe jeden Tag Krankenpfleger*innen, die bei einem bereits bestehenden Überstundenkonto von 120 Überstunden, geplant eingesetzt werden. Dumm, leichtsinnig, unmöglich? Die Druckmittel in unserem Gesundheitssystem sind jahrelang eingeübt, perfektioniert und weitergegeben.
Archaische Strukturen und Führungskräfte, die noch immer glauben, dass man im Gesundheitssystem berufen sein und sich aufopfern muss um beste Medizin zu machen, sind leider auch heute noch an der Tagesordnung. Das Ganze ist mit der überheblichen Logik kombiniert, dass es eben nur die Härtesten unter den Harten schaffen und eine Gefährdung für uns alle – Patient und medizinisches Personal. Mein Mann und ich arbeiten mittlerweile beide Teilzeit.
Dafür musste ich die Arbeitsstelle wechseln und mir ein großes Netzwerk an Unterstützern aufbauen. Ohne wäre ich genauso untergangen, wie alle anderen. Mein Mann hat durch die Elternzeit und Teilzeitarbeit seine Arbeit verloren. Heute arbeitet er deshalb in einer Arbeitsstelle, die Vereinbarkeit auf ihr Aushängeschild schreibt und schüttelt bei unseren Arbeitsbedingungen nur noch frustriert den Kopf. Er ist motiviert, arbeitet oft noch freiwillig nach und leistet in seiner Freizeit ehrenamtlich unglaublich viel für unsere Familie, den Kindergarten und initiiert kulturelle Veranstaltungen. Ich hatte irgendwann die Schnauze voll von den aufgestülpten, falschen Forderungen.
Deshalb habe ich meinen Blog gegründet und veröffentliche Interviews vieler Frauen in der Medizin, die zeigen, wie Vereinbarkeit möglich ist.
Ich möchte Beispiel sein und Vorbild werden. Denn seit ich mir Zeit für mich, meine Gesundheit, meine Familie und meinen Mann nehme, bin ich die beste Ärztin, die ich je werden konnte.