Kennt Ihr sie auch – die Ärzte der Marke Einzelkämpfer – in welcher Versorgungsform (Arztpraxis oder Krankenhaus) auch immer? Diejenigen, die sich gegenüber Kollegen durchsetzen mussten, ihre Versorgungsbereiche schützen und auf Kosten der Umliegenden ausbauen wollten? Ich kenne genügend von dieser Sorte. Das Wort Teamwork kam selten in ihrem Sprachgebrauch vor, hierarchische Machtstrukturen zeichneten sie aus. Dieses war in der Anfangszeit meiner ambulanten Versorgung immer noch ein vorherrschendes Thema. Das ist allerdings auch bereits mehr als zehn Jahre her.
Seither ist die Medizin in ihrer Tiefe deutlich gewachsen, das Wissen verdoppelte sich in unseren Bereichen ja genau in dem genannten Zeitraum, Therapien sind hinzugekommen, Spezialisten allenthalben für Fachbereiche, in denen ich mittlerweile nicht einmal mehr als ein gesundes Grundwissen habe. In gleichem Maße, wie sich das Wissen verdoppelt, scheint sich auch das Aufkommen an Patienten zu verdoppeln – und nein, ich glaube nicht, dass die Menschen kränker werden oder empfindlicher, aber sie werden älter, informieren sich mehr über Therapien und haben Ansprüche, die vor 20 Jahren wahrscheinlich nie formuliert worden wären. Google gab es nicht, erst recht kein Expertenwissen, das so frei verfügbar ist, genauso wie leider Scharlatanerie, die noch viel verfügbarer ist. Gleichzeitig halbiert sich gefühlt die Zahl der Experten. In den umliegenden Allgemein- und Facharztpraxen herrscht Notstand. Kollegen betreiben die zweite oder dritte Niederlassung, nur um einigermaßen die Versorgung sicherzustellen, ein temporärer Vertreter im MVZ jagt den nächsten, der wieder das Heil in der Flucht sucht. Die Politik auf der lokalen Ebene versucht gegenzusteuern und bietet Stipendien für willigen Hausarztnachwuchs, sponsert Anrufbusse, um auch den alten Patienteneinen Facharzttermin ohne hohe Taxikosten zu ermöglichen, hilft beim Austausch zwischen den staatlichen Aufsichtstellen und den Niedergelassenen, während aus Berlin eine Kostensenkung nach der anderen, eine Verordnung oder Diffamierung der Ärzteschaft nach der nächsten ausgestoßen wird.
Die Bedingungen ändern sich also, während früher der Druck innerhalb der Ärzteschaft groß war, sich gegenüber einander abzugrenzen, scheint es jetzt mehr und mehr den Schulterschluss zu geben – und nicht nur in der Ärzteschaft, sondern berufsgruppenüberschreitend – Gesundheits- und Krankenpfleger, Physiotherapeuten, Apotheker, Psychologen und andere im Feld der Medizin begehren auf, möchten eine andere Art der Medizin, wollen das System reformieren. Das ist der Grund, warum ich die Idee des #Twankenhaus bei Twitter genial finde. Unterschiedliche Professionen schreiben, wie sie ihre Arbeitsumgebung gerne gestalten wollen, wo sie Potential für Veränderungen sehen und heben den Gedanken des Teamworks hoch.
Es geht heute nicht mehr darum, Berufsgruppen gegeneinander auszuspielen, sondern eher darum, eine Bewegung von unten zu schaffen, sich zu vereinen, Utopien zu generieren und zu realisieren. Aus dem Kampf der einsamen Wölfe gegeneinander soll ein Rudel werden, das gemeinsam dafür streitet, dass sich das System ändert. Dahingehend, dass alle zufrieden werden – diejenigen, die im System arbeiten genauso wie diejenigen, die das System schützen wollen: die Patienten. Jeder von uns will sein Bestes im Job geben, einen Schlag mehr tun – die soziale Verantwortung hat uns schließlich unser gesamtes berufliches Leben geprägt und gleichzeitig wollen wir eins: ein starkes Team, das uns ein Arbeiten und auch privates Leben unter vernünftigen äußeren Bedingungen ermöglicht.
Diese Art Gemeinschaft spürte ich gerade beim Team #Twankenhaus. Jeder, der sich bislang dort geäußert hat gehört zu denjenigen, die im Job alles geben, was sie haben – fachlich wie emotional – und alle stehen vor ähnlichen Problemen: Vereinbarkeit von Job und Familie, Budgetierung, Arbeitszeitgesetz, Kollegenmangel, diktierte (Not-)Versorgung, … allerdings vereint auch alle die Motivation diesen einen Schlag mehr zu tun, andere zu motivieren, die Bereitschaft, Grenzen aufzubrechen, Solidarität untereinander aber gleichzeitig auch mit den Patienten zu zeigen.
Wir brauchen für die Zukunft ein Gesundheitssystem aus Teamplayern, das gemeinsam die große Sache einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung anpackt, wir brauchen das #Twankenhaus. Wenn wir versuchen, gemeinsam die Entscheider in einer Art Graswurzelbewegung davon zu überzeugen, dass auch innerhalb des Systems genügend Motivation da ist, für positive Veränderungen zu sorgen, wenn diese Stimme nur groß genug wird, damit man nicht überhört wird, lässt sich vielleicht die Art positiver, grundliegender Veränderung schaffen, die alle mitnimmt.
Ich hoffe, dass ich in den nächsten Jahren ein #Twankenhaus zusammen mit den Kollegen in meinem Umfeld schaffen kann.