Vereinbarkeit @Schwesterfraudoktor

8. März 2019

Dass Vereinbarkeit in unserem ärztlichen Beruf noch ein Mythos ist, musste ich selbst feststellen: Mit stagnierender Karriere und meinem Ehe-Aus vor zwei Jahren.

Vergangenheit

Ich bin seit zehn Jahren Ärztin und bin beruflich und privat in Slowmotion unterwegs. Das klingt jetzt furchtbar frustriert, aber das bin ich nicht. Ich bin eigentlich Duracel-Hase par excellence und ein sachlicher und positiver Mensch. Ich habe festgestellt, dass es immer irgendwie weitergeht. Aber: es gibt so viele gravierende Missstände in unserem Beruf, die Karrieren und Privatleben zerstören. Das kann nicht länger hingenommen werden.

Ich begann meine berufliche Laufbahn mit einer Anstellung in der Pathologie, natürlich in Vollzeit als frisch ausgebildete Ärztin. Ich liebte den Beruf, hatte aber schließlich mit 28 Jahren einen wachsenden Kinderwunsch. Als ich schwanger war, begann mein täglicher Spießrutenlauf.

Interessanterweise hatte ich zwei weibliche Vorgesetzte, die mir das Leben zu Hölle machen. „Du hilfst uns nicht mehr, also bringen wir dir auch nichts mehr bei.“ Als mein Sohn geboren war, teilte man mir für meinen Wiedereinstieg nach der Elternzeit (von 6 Monaten) die Versetzung in eine 80 km entfernte Zweigstelle mit. Mit einem kleinen Kind – einem Säugling – ist das einfach nicht machbar.

Also ging ich in die onkologische Forschung. In Teilzeit, denn auch hier standen morgens und nachmittags eine Stunde Autofahrt auf der Tagesordnung. Dies war auch der Grund, warum ich mit der Geburt des zweiten Kindes eine Anstellung in unmittelbarer Wohnortnähe suchte und landete so in einem kleinen Krankenhaus. Dort arbeitete ich von Montag bis Freitag von 8:30 Uhr bis 14:30 Uhr. Ich hatte einen Oberarzt, der – im Gegensatz zu vielen anderen Oberärzten-, kein Problem damit hatte, dass ich versetzte Arbeitszeiten hatte. Denn er wusste, dass ich in den sechs Stunden Anwesenheit die Arbeit von mindestens einer Vollzeitkraft schaffte.

Doch auch ein aufgeschlossener Oberarzt kann nicht vermeiden, dass Personalmangel und verkrustete Strukturen für haufenweise Überstunden sorgen, man nachmittags mal wieder als letzte Mutter um 16 Uhr vor den Kindergartentüren steht und an den Wochenenden 24h-Dienst schiebt. Ich sprang auch immer gerne ein – wollte ich doch beweisen, dass Mütter auch engagiert sind und Karriere machen möchten.

Wer nicht im Gesundheitswesen arbeitet, kann nicht nachvollziehen, dass man immer wieder einspringt, immer wieder Überstunden macht und immer wieder vollkommen übermüdet oder krank in die 24h-Dienste geht.

Daran kann die beste Ehe zerbrechen. Um meine Ehe und meine Familie zu retten und um meiner Gesundheit einen Gefallen zu tun – denn nach zu vielen Diensten und Stress bekam ich Herzrhythmusstörungen und einen Defibrillator implantiert – wechselte ich in eine Landarztpraxis. Um nun zwischen 30 und 50 Patienten am Vormittag zu behandeln und weniger Geld zu verdienen, denn ich reduzierte meine Arbeitszeit auf 50%. Gängige Aussage meines Umfeldes war: „Du musst dich ja um die Kinder kümmern.“

Gegenwart

Inzwischen bin ich 38 Jahre alt. Meine mir noch bekannten ehemaligen männlichen Kommilitonen sind an mir vorbeigezogen und haben Oberarzt-Stellen. Alle. Schon lange. Die Kommilitoninnen haben ebenfalls Oberarzt-Stellen, sofern sie keine Kinder in die Welt gesetzt haben. Die männlichen Kommilitonen haben Frau und Kinder zuhause. Die Kommilitoninnen sind kinderlos.

Welchen Schluss ziehe ich daraus für mich? Vereinbarkeit ist leider noch nicht gegeben. Ich wollte nicht auf meine Kinder verzichten, denn für mich persönlich sind sie das größte Glück der Welt. Es gibt aber noch sehr viel zu tun, bis Frauen gleichberechtigt Karriere machen können, ohne auf ihre Kinder verzichten zu müssen. Bis dahin habe ich das Gesundheitssystem längst verlassen.

Was wir brauchen

Mütter sind engagiert. Mütter sind organisiert und fleißig. Wer sich als Frau diesen Zirkus im Job täglich antut, muss doch nicht mehr beweisen, dass sie es wirklich von Herzen will? Das ist doch Beweis genug!

Wir brauchen flexible Kinderbetreuung, die es auch Müttern möglich macht, ohne Sorge zur Arbeit zu gehen. Wir brauchen eine Vorstellung davon, dass Frauen, die Karriere machen, keine Rabenmütter sind.

Lasst Frauen doch einfach arbeiten.

Schwesterfraudoktor