Unsere Gedanken zur COVID Impfung im Gesundheitswesen

3. Februar 2021

Die aktuelle Impfstrategie gegen SARS-CoV-2 steht auf zwei großen Säulen:

  1. Schutz der Gefährdetsten, der Hochbetagten und Pflegeheimbewohner:innen – aus ethisch moralischen Gründen und um das Gesundheitssystem zu entlasten. Denn in diesen Patientengruppen entstehen schließlich viele dramatische und (auch kapazitätsbindende) schwere Verläufe.
  2. Erhalt der Arbeitsfähigkeit der Gesundheitsberufe und damit auch Stabilisierung des Gesundheitssystems an sich. Gerade Rettungsstellen, Rettungsdienst und Intensivstationen sowie bestimmte Bereiche der ambulanten Primärversorgung müssen unbedingt in der Lage sein, die medizinische Betreuung aufrechtzuerhalten.

Soweit, so gut. Den Mangel zu verwalten und eine Priorisierung in solch einer existentiellen und unbekannten Gefahrenlage festzulegen, ist eine enorme Herausforderung. Es ist unmöglich, allen (berechtigten) Interessen Rechnung zu tragen.

Was gibt es dann also zu kritisieren?

Wenn es um einen gesundheitssystemischen Ansatz geht, dann sollten die Chancen und Risiken so ausgewogen wie möglich verteilt werden. Vordringliches Ziel ist die schnelle Immunisierung besonders exponierter und vulnerabler Bereiche, um die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung sicherzustellen.

Laut Impfquotenmonitoring des RKI mit Stand 01.02.2020 erhielten 917.000 Personen mit beruflicher Indikation bereits die erste Impfdosis. Hierbei handelt es sich um einen der beiden mRNA-Impfstoffe (COMIRNATY oder Moderna). Der volle Impfschutz (der mit knapp 95% angegeben wird) liegt 7 – 14 Tage nach der zweiten Impfung vor, somit vergehen hier insgesamt etwa 4-5 Wochen Zeit bis zur Immunisierung. Der neu zugelassene Vektorimpfstoff (von AstraZeneca) benötigt ebenfalls zwei Impfdosen im Abstand von 4-12 Wochen. Der Impfschutz wird 14 Tage nach der zweiten Gabe mit einer Wirksamkeit von bis zu 70% angegeben. Somit vergehen bei der Verwendung dieses Impfstoffes bis zu drei Monate bis zur Immunisierung.

In dem der Presse vorliegenden Referentenentwurf einer Novellierung der Impfverordnung wird nun wohl festgelegt, dass „die 18- bis 64-Jährigen in Deutschland […] demnach künftig zunächst prioritär mit dem Vakzin von AstraZeneca gegen SARS-CoV-2 geimpft werden [sollen]. Ein anderer Impfstoff soll nur dann verwendet werden, wenn der AstraZeneca-Impfstoff nicht zur Verfügung steht. Das gilt zunächst für diese Altersgruppe in den bislang festgelegten Priorisierungsgruppen mit „höchster“ und „hoher“ Priorität.“

Orientiert an den aktuell vom RKI vorliegenden Wirksamkeitsdaten vergeht mit dieser neuen Strategie wertvolle Zeit, bis die Gesundheitsberufe immunisiert sind. Ein weiterer Kritikpunkt ist das „Setzen auf eine Karte“. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind für alle Impfstoffe naturgemäß viele Fragen noch ungeklärt: Ist man noch Virusüberträger? Wie wirksam ist der Impfschutz in Bezug auf Virusmutationen? Wie lange hält der Schutz an? Aus unserer Sicht wäre es umsichtiger, weiterhin mit verschiedenen Impfstoffen gleichermaßen zu arbeiten. Somit wäre im Falle einer weniger starken Wirksamkeit oder ähnlicher Probleme die Arbeitsfähigkeit des Gesundheitswesens hoffentlich durch die anderen Impfstoffe abgesichert.

Neben der COVID19-Versorgung gibt es auch andere Bereiche unseres Gesundheitssystems, die dringend arbeitsfähig bleiben müssen. Diese werden aus unserer Sicht aktuell zu wenig bis gar nicht berücksichtigt. Es gibt hochspezialisierte Bereiche im stationären Setting, deren Ausfall regional nicht kompensiert werden kann. In einem (bildlich gesprochen) Arche-Noah-Prinzip sollten daher auch Spezialist:innen (z.B. Gefäßchirurgie, Neurochirurgie, Herzchirurgie, interventionelle Radiologie an ausgewiesenen Zentren) in erster Reihe geimpft werden, um Versorgungssicherheit für die Bevölkerung zu gewährleisten.

Für uns ist auch unverständlich, warum in der Festlegung der Impfreihenfolge Erzieher:innen, Pädagog:innen und Lehrer:innen keine größere Beachtung finden. Gerade in der pädagogischen Betreuung sehr kleiner Kinder ist der Einsatz persönlicher Schutzausrüstung kaum umsetzbar. Bei der hohen Priorität, die der Öffnung von KiTas und Schulen seitens der Politik und Gesellschaft beigemessen wird, müsste hier konsequenterweise auch eine andere Impfpriorisierung erfolgen. Wir möchten an dieser Stelle zudem darauf hinweisen, dass auch in anderen sog. systemrelevanten Berufen an einigen Stellen die Arbeitsbedingungen den sicheren Einsatz einer persönlichen Schutzausrüstung leider oft nicht erlauben.

Und dann gibt es den Aspekt der politischen Kommunikation.

Liebe Politiker:innen, bitte finden Sie eine andere Kommunikationsstrategie für den Umgang mit den Gesundheitsberufen. Diese erst zu beklatschen, sie anschließend wegen scheinbar breiter Impfunwilligkeit zu kritisieren und diese Ambivalenz dann mit dem generellen Verbot der Verabreichung des (zumindest gegenwärtig anscheinend) effektiveren Vakzins, so denn der Vektorimpfstoff verfügbar ist, zu krönen, wird dem Einsatz der Gesundheitsberufe in der Pandemie nicht gerecht. Bitte haben Sie Respekt gegenüber unseren Berufen und unserer Arbeit und drücken Sie diesen Respekt in Ihrer Kommunikation und Ihren politischen Handlungen auch aus.

Was schlagen wir also vor?

Wir sehen als prioritäres Ziel die schnelle und effektive Immunisierung des Gesundheitswesens bzw. aller Angehörigen der Gruppe 1 und 2. Um dieses Ziel zu erreichen, sollten für alle Personen dieser Gruppe auch alle Impfstoffe eingesetzt bzw. die anzunehmende Geschwindigkeit der Immunisierung bei der Auswahl der Impfstoffe mitberücksichtigt werden.

Wir fordern daher, die Impfung mit den nachgewiesen wirksamen mRNA-Impfstoffen auch weiterhin regelhaft für Personen unter 65 der Prioritätengruppen 1 und 2 vorzusehen.

Wir fordern außerdem, die bislang in Gruppe 4 eingeordneten pädagogischen Berufe höher zu priorisieren. Dies auch vor dem Hintergrund der angestrebten baldmöglichen Öffnung der Bildungseinrichtungen im pandemischen Kontext.