Es ist 11:45 Uhr, ich komme zur Arbeit. Das erste was ich gesagt bekomme, wohlgemerkt ohne irgendeine Art von Übergabe, ist, dass ich für 25 Patienten das Mittagessen austeilen darf. Danach bin ich dafür zuständig, fünf Zimmer zu putzen, aufzufüllen und die Betten neu zu überziehen. Die Übergabe verpasse ich, weil vom Frühdienst Tätigkeiten liegengeblieben sind, die nicht bis zum Spätdienst unerledigt bleiben sollen. Egal, meine Aufgabe werden eh nur Hilfstätigkeiten wie die oben genannten und Vitalzeichen kontrollieren sein.
Schon in der Ausbildung bekommt man die allgegenwärtige Kommerzialisierung des Krankenhausbetriebes zu spüren. In diesem Beispiel sieht man, welche Tätigkeiten auf uns Azubis abgeladen werden, wenn die Stationshilfen (Hauswirtschaftliche Mitarbeiter, die Tätigkeiten wie Essen austeilen, Auffüllen von Verbrauchsmaterialien, Überziehen von Betten etc. übernehmen), die eigentlich überall und an jedem Wochentag verfügbar sein sollten, wegrationalisiert wurden, um Geld einzusparen. Die eigentliche Ausbildung zum/zur Gesundheits- und (Kinder)krankenpfleger*in kommt dabei zu kurz.
Dies ließe sich zu einer endlosen Liste weiterführen. So dürfen Überstunden meist weder aufgeschrieben noch bezahlt werden und man wird schon im zweiten Lehrjahr teilweise als volle Stelle eingeplant. Klar, Poolkräfte sind teuer und als Azubis müssen wir unsere 80 Nachtdienststunden irgendwie vollbekommen. Warum nicht alleine mit einer Vollkraft für 20 Patienten auf einer IMC da sein? Auf der einen Seite soll man also jederzeit wie eine examinierte Kraft funktionieren, andererseits wird man auf vielen Stationen nur im Frühdienst eingesetzt, damit der reibungslose Ablauf der Waschstraße gewährleistet wird. Vollkräfte müssen die Behandlungspflege gewährleisten und Pflegehelfer, die für diese Aufgabe eingestellt würden, sind kaum mehr vertreten, da sie auf dem Stellenplan weder als volle noch als halbe Kraft gezählt werden können und somit den Arbeitgeber zusätzliches Geld kosten. Es kann auch vorkommen, dass die Dienstpläne ohne Absprache an den aktuellen Personalbedarf angepasst werden und nur nach Beschwerde rückgängig gemacht werden. Sogar mit den Parkplätzen werden Geschäfte gemacht, denn auch als Azubi muss man Geld bezahlen, wenn man sein Auto auf einem Parkplatz auf dem Klinikgelände abstellt. Meist wird das dann am Ende des Monats fein säuberlich vom Gehalt abgezogen.
In den Pflegeschulen sieht es nicht anders aus. Veraltetes Lehrmaterial (das zumeist selbst angeschafft werden muss), Overheadprojektoren von 1980, und Lehrkräfte, die ihre letzte Fortbildung gefühlt 2005 genießen durften, zeugen vom Sparprogramm der Kliniken. Praxisanleitung ist ebenfalls ein schwieriges Thema. Zumindest in meinem Bundesland werden die Stunden gut vergütet. Deshalb findet auf dem Papier viel Anleitung statt. Doch oft hat diese nie stattgefunden oder nur in Form von „lies dir diese Zettel einmal durch und melde dich bei Fragen“. Verständlich, denn wo Anleitung ist, ist oft auch weniger der dringend benötigten Zeit für die Patienten und vor allem für die Nebentätigkeiten.
Digitalisierung in Zeiten von Covid19 ist ja in aller Munde. Auch vor der Ausbildung macht dies natürlich nicht halt. Schnelle Umstellungen zum Online-Unterricht sind meist nur schwer oder gar nicht realisierbar, da auch in den Pflegeschulen an der digitalen Umsetzung des Unterrichts gespart wurde. Digitalisierung in meinem Fall bestand darin, dass die Lehrer tonnenweise Arbeitsblätter online stellten, die man bis zu einer bestimmten Frist zu erledigen hatte. Hatte man Fragen zu den Unterrichtsthemen, so musste man entweder zum Telefon greifen oder eine Mail schreiben, begleiteter Unterricht war so unmöglich. Nicht verwunderlich, wenn es an der Schule nicht mal Internet gibt. Während die Lehrer die Arbeitsblätter korrigierten waren wir Azubis normal auf den Stationen eingeteilt, in meinem Fall auf einer Intensivstation auf der auch Corona-Patienten behandelt wurden. Da ich danach einen Außeneinsatz hatte, wurde ein Covid-Abstrich verlangt. Diesen bekam ich natürlich nicht, denn ein positives Ergebnis würde zu viel (v.a. finanziell) nach sich ziehen. Dass wir außer in den infektiösen Zimmern nicht mit FFP2 Masken arbeiteten und arbeiten, muss ich vermutlich nicht erwähnen. Patienten wurden bei Aufnahme bis Mitte Mai nur bei typischen Symptomen getestet. In einer Pandemie völlig ungeschützt Intubationen und anderen aerosolbildenden Maßnahmen ausgeliefert zu sein, hinterlässt ein mulmiges Gefühl. Nach Wertschätzung fühlt es sich nicht wirklich an, wenn dem Arbeitgeber die Finanzen (sparen am Iso-Material und an den Masken) offensichtlich wichtiger sind als die Gesundheit der Mitarbeiter und dann nicht einmal eine Packung Merci-Schokolade rausspringt.