Über Geld spricht man nicht – diese Volksweisheit darf im Gesundheitswesen nicht gelten. Steigende Kosten, regulierte Märkte und schwankende Mittel werden Finanzierungsfragen weiter in den Mittelpunkt rücken. Eine Debatte über den bestmöglichen Einsatz der vorhandenen Ressourcen ist daher höchst relevant.
407,4 Milliarden Euro – so hoch schätzt das Statistische Bundesamt die Gesundheitsausgaben im Jahr 2019. Das sind mehr als 4.900 € pro Kopf und rund 11,8 Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes. Im europäischen Vergleich sind wir damit Spitzenreiter. Die Ausgaben wuchsen dabei in den vergangenen Jahren jährlich um rund 4 Prozent.
Trotzdem herrscht an vielen Stellen statt sprudelnder Geldquellen eher Investitionsstau. Bestes Beispiel ist der Krankenhaussektor, der eigentlich schon deutlich digitaler aufgestellt sein könnte, als er heute ist. Veraltete IT-Systeme und vielfach papier- oder faxbasierte Prozesse sind oft eher Regel als Ausnahme. Die Missstände sind so offensichtlich, dass mit dem Krankenhauszukunftsgesetz nun sogar der Bund einspringt und entsprechende Mittel für dringend benötigte Investitionen bereitstellt.
Die Vermutung liegt also nahe, dass es uns hierzulande nicht primär an Geld mangelt – sondern eher an einer guten Verteilung. Diesen Schluss unterstützt das länderspezifische Gesundheitsprofil der Europäischen Kommission, in dem jährlich die Gesundheitssysteme der einzelnen EU-Länder analysiert und miteinander verglichen werden. Darin wird das deutsche System als vergleichsweise teuer und ineffizient abgestraft.
Noch ist der Schmerz zu ertragen, da Mittel weiterhin erschlossen werden können. Ganz anders könnte es in ein paar Jahren aussehen, wenn die Gesundheitsausgaben durch den demografischen weiter ansteigen werden. Wie schnell ein vermeintlich krisenfestes System an seine Grenzen kommen kann, zeigte nicht zuletzt die Covid-19-Pandemie.
Mehr Effizienz statt Kürzungen
Es ist also mehr Effizienz gefragt, aber was heißt das genau? Instinktiv mögen manche da an das Klischee der Unternehmensberatung denken, die vor allem durch breite Entlassungen die Bilanz ihres Auftraggebers aufhübscht. Im Gesundheitssystem kann dies niemand ernsthaft fordern, schließlich arbeiten hier schon viele Beschäftige am Anschlag und das hohe Arbeitspensum ist in Bereichen wie der Pflege für viele der Anlass ihren Berufszweig ganz zu wechseln. Auch Lohnkürzungen sind in einer Branche, die den Fachkräftemangel bereits heute schmerzlich zu spüren bekommt, keine Option – im Gegenteil wird die Debatte um eine gerechte Entlohnung gerade lebendig geführt.
Vielmehr müssen die verfügbaren finanziellen Mittel dazu genutzt werden, vorhandene Prozesse zu verbessern oder ganz neu zu denken. Genau an dieser Stelle kann die Digitalisierung ansetzen. So errechnete die Unternehmensberatung PwC, dass durch den Einsatz digitaler Lösungen im Gesundheitswesen die Effizienz um 15 bis 20 Prozent steigen könnte. Ganz besonders geeignet sind die vergleichsweise zeitintensiven Prozesse in der Verwaltung und der Dokumentation. Wenn diese zunehmend automatisiert werden, wird zusätzlich mehr Zeit für die persönliche Behandlung frei – mit positiven Effekten für Patientinnen und Patienten sowie medizinischem Personal gleichermaßen.
Zentral ist es, dass die Digitalisierung nicht als Selbstzweck angesehen oder auf die reine Kostensenkung reduziert werden darf. Stattdessen müssen tatsächliche Mehrwerte für diejenigen geschaffen werden, die am Ende die Lösungen benutzen. Das fordert im Umkehrschluss ein besseres Verständnis, wie Ärztinnen und Ärzte und andere Leistungserbringer IT nutzen und welche Erfahrungen sie dabei machen. Genau aus diesem Grund hat der Marburger Bund gemeinsam mit dem Bundesverband Gesundheits-IT das Analyse-Tool Check IT gestartet, das explizit den Anwendernutzen in den Fokus nimmt – und damit ein Gegengewicht zur vorherrschenden rein technischen Perspektive schafft.
Fazit
Solange wir in einem marktwirtschaftlich organisierten System leben, werden marktwirtschaftliche Prozesse auch für die Gesundheitsversorgung prägend bleiben. Das Gesundheitssystem ist jedoch besonders, da es das Leben selbst schützen soll und eine ethische Verantwortung für alle darin Tätigen trägt. Die Diskussion darf sich nicht zuspitzen auf „Ökonomisierung – ja oder nein?“, sondern muss fragen: „Was macht gute Versorgung aus und welche ökonomischen Mechanismen und Rahmenbedingungen brauchen und wollen wir dafür?“. Gerade der vermehrte Einsatz digitaler Lösungen ist ein guter Weg, um die verschiedenen Perspektiven und Interessen in Einklang zu bringen und unsere Versorgung sogar noch weiter zu verbessern.
Sebastian Zilch
https://www.bvitg.de