Digitalisierung – Gesundheitsakte – oder: Der peinliche Arztbrief!?

15. Februar 2020

Wir sind glücklicherweise alle sehr unterschiedliche Menschen im Denken, Handeln und auch im „Sorgenmachen“.

Mit dem Thema Digitalisierung in der Medizin kommt nun ein neues „Sorgenkind“ in den Fokus vieler Menschen, die sich aufgrund von akuter oder chronischer Krankheit in medizinischer Behandlung befinden. Um sich dem Thema digitale Patientenakte zu nähern stellen Sie sich folgende Situation vor:

Sie sind beruflich gut ausgebildet, haben Familie und einen anspruchsvollen Job. Mit den täglichen Aufgaben und Herausforderungen kommen Sie seit einiger Zeit nicht mehr so richtig klar. Durch die Schule und die Flegeljahre haben Sie es geschafft, aber in der „ersten Liga“, mit Kind, Hund, Beruf und dem verflixten Haushalt wird es brenzlig! Nach ausgiebiger Eigenbeobachtung steht fest:

Sie verspäten sich häufiger oder verbummeln Termine.
Sie verlieren mehrmals täglich Dinge und finden Sie an abstrusesten Orten wieder. Essen brennt an, Töpfe wandern in den Müll.
Lieblingsunterhosen sind alle, weil: Sorry, vergessen zu Waschen.
Es sieht aus wie bei Hempels unterm Sofa.
Sie selbst sehen bisweilen aus wie Herr/Frau Hempel!

Da Sie erwachsen sind, gestehen sich ein, dass es da ein „gewisses Problem“ mit Ihrer Konzentration gibt. Sie wünschen sich, Ihre persönliche Performance beruflich und privat ohne Beeinträchtigung wieder zeigen zu können. Was nun?

Die Idee: Hausarzt/-ärztin kontaktieren!

Der Mann/ die Frau der Stunde mit dem netten Praxis-Team, welches Sie seit Jahren in- und auswendig kennt (also den „offiziellen Teil“ von Ihnen mit körperlichen Beschwerden, Husten, Schnupfen, maximal Dünnpfiff).

Es folgt nach einem Gespräch eine Überweisung in eine Psychiatrie-Ambulanz zur Abklärung!
(an dieser Stelle den Smiley „Horrorgesicht“ vorstellen)

Nach überstandener Wartezeit sitzen Sie bei dem Termin und ein/e freundliche/r Psychiater/in, stellt Ihnen sehr viele Fragen. Auch intime Fragen, die etwas Schamesröte ins Gesicht treiben können.

Sie zögern, Doktor/in erklärt den Sachverhalt und beruhigen sich: Diese Worte werden den Raum nicht verlassen, wir befinden uns in einem vertrauensvollen Arzt – Patientengespräch. Es gibt doch die Schweigepflicht!

Sie geben es also zu:

In einem gewissen jungen Lebensabschnitt haben Sie etwas über die „Norm“ hinaus mit unterschiedlichen Personen „gesext“, so zum Ausprobieren und Langeweile vertreiben.
(an dieser Stelle den Smiley mit leichtem Grinsen vorstellen)

Die nächsthöhere Stufe auf der Geständnis-Skala widmet sich der Beantwortung zu: Erfahrung mit illegalen Substanzen (Drogen)!!!
(an dieser Stelle den Smiley mit gesenktem Blick vorstellen)

Sie erklären, in der Jugend – aus rein wissenschaftlichen Gründen – Selbstexperimente durchgeführt zu haben und erörtern Ihr persönliches Fazit der Versuchsreihe:

Kiffen: kann man, aber nicht so der „Burner“ LSD: Lustig, aber muss nicht sein

Amphetamin: sehr wach und konzentriert, aber völlig stressig und inakzeptabel bezüglich der Qualität, Gesundheitsschäden und Illegalität

Es erfolgt Ihre Erklärung, dass das alles lange her ist und Sie lieber die Finger davongelassen haben. Sie erhalten Fragebögen und füllen diese brav aus.

Ein paar Wochen später kommt das Ergebnisgespräch!
Hier wird freundlich erläutert, dass eine ADHS vorliegt und eine stressbedingte Depression.
Arzt/ Ärztin hat Diagnose gestellt und die Fragestellung beantworten können. Topp!

Der Plan:

Ab mit einem Kurzbrief zum Hausarzt und gegebenenfalls bei Leidensdruck zum niedergelassenen Psychiater.

Und nun folgt die Übergabe des Befundbriefes. „Hier, diesen gebe ich Ihnen mit und ein Exemplar verschicke an den überweisenden Arzt.“

Klingt logisch, transparent und richtig. Merkwürdig nur, dass dieser Brief so irrsinnig lang ist. Sie setzen sich vorausahnend hin und lesen den ganz großen eigenen Bericht, wie Sie also „ticken“, was in Ihrem Leben so los war und ist.

Puuuh…ganz schön viel und persönlich und so „Schwarz auf Weiß“?

Die Horrorvorstellung:

Vor dem geistigen Auge sehen Sie die nette MFA, die auch beim Metzger so schön grüßt, Ihren Brief öffnen. Wörter wie Sex und Drogen fallen ihr bestimmt sofort auf. Der Hausarzt / die Hausärztin liest die Ausführungen über jene Eskapaden Ihres Vergangenheits-Ichs.

Sie fühlen sich wie nackt und verletzlich. Der Brief fühlt sich gemein an. Er ist Ihnen peinlich!

Sie fragen sich: Warum reicht nicht eine Beantwortung der Fragestellung und eine kurze Begründung? Warum wird das vertrauliche Anamnesegespräch genau wiedergegeben?

Bei Verdacht auf Pneumonie oder Nierensteinen wird vom Facharzt doch auch kein Roman geschrieben. Oder vom Gastroenterlogen ein „Erlebnisbericht“ über jede Kurve bei der Darmspiegelung. Bei Psychiatrischen Arztbriefen scheint die Anamnese ausführlicher an den Überweiser übermittelt zu werden.

Was tun? In der analogen Zeit (Brief » physisch » Post) gibt es die Möglichkeit, den Postboten zu überfallen! Oder eben in der Klinik anzurufen und die Herausgabe des Briefes zu verbieten, mit der Erklärung, dass es sich für Sie falsch anfühlt und Sie Bedenkzeit brauchen. Man hat also einen Handlungsspielraum!

Aber wie ist das in der Zukunft mit der digitalen Patientenakte?
Wer weiß dann Was über Sie? Über Ihre Kindheit, Jugend(-sünden), Hämorrhoiden,

sexuelle Orientierung …. oder eben Dünnpfiff?
Wer pflegt die Akte, wer mistet „Olle Kamellen“ wieder aus?

Ich will keine Sorge über für mich beschämende Momente bei der Orthopädin haben, wenn sie den urologischen Bericht mit der Prostatitis einsehen kann. Oder der Dermatologe, bezüglich meiner gerade stattgefundenen psychosomatischen Reha.

Ach ja, die Abtreibung vor 3 Jahren, hat der Unfallchirurg das jetzt gelesen? Fragen über Fragen!

Wie geht das also mit dieser digitalen Patientenakte? Gegen Bedenken hilft es meistens, sich den vermutlichen „Feind“ ganz genau anzuschauen und ihn mal kennenzulernen.

Ich habe das noch nicht richtig gemacht und denke, der Zeitpunkt ist gekommen, dies zu tun! Informieren und den Prozess der Digitalisierung bestenfalls begleiten ist sicher eine gute Idee.

Diese Gelegenheit bietet die Themenwoche #GesundeDigitalisierung beim #Twankenhaus! Auf Geht’s in die sorgenfreie digitale Zukunft in der Medizin!

Wir danken unserem Teammitglied für diesen Beitrag.