#WunschUndWirklichkeit in der Notfall- und Rettungsmedizin

23. Mai 2019

Die Notfallmedizin ist ein Arbeitsbereich, der seit jeher Groß und Klein fasziniert und von zahlreicheMythen umgeben ist. Man denkt an Blaulicht, schlimme Unfälle und was man sonst so im Fernsehen sieht. Die Wirklichkeit sieht jedoch oft anders aus, weswegen es auch hier Wünsche für die Zukunft gibt.

#Wunsch: Patienten mit akuten und lebensbedrohlichen Erkrankungen so schnell wie möglich helfen

#Wirklichkeit: Anspruchsdenken, nicht dringliche Wehwehchen und unzureichende Gesundheitsbildung

Wie überall im Gesundheitswesen oder der Gesamtgesellschaft herrscht in der Notfallmedizin ein zunehmendes Servicedenken der Patienten. Jeder möchte JETZT SOFORT eine Behandlung bekommen und dabei selbst so wenig Aufwand wie möglich haben. Da der Notruf 112 im Gegensatz zu Krankenhäusern und Arztpraxen schnelle Hilfe in kürzester Zeit und das rund um die Uhr sicherstellt, gibt es leider eine zunehmende Anzahl von Menschen, die diese Nummer auch bei weniger dringlichen Beschwerden und leichteren Befindlichkeitsstörungen wählen und am Telefon von lebensbedrohlichem Leid klagen, um eine mögliche Wartezeit in Notaufnahme oder Arztpraxis zu umgehen. Man kann sich solches Verhalten schlecht vorstellen bis man selber als Notarzt zum ersten Mal vor einem jungen Patienten mit einer banalen Magen-Darm-Erkrankung oder Erkältung gestanden hat, der nun die Hoffnung hegt, den Hausarztbesuch zu umgehen. Auch als vermeintliche Ausgabestelle kostenloser Medikamente, Transportunternehmen zu geplanten Krankenhausfahrten oder Sammeltaxi für Betrunkene Jugendliche wird der Rettungsdienst immer wieder missbraucht.

Glücklicherweise sind solche Dreistigkeiten noch selten. Viele Patienten rufen schlicht aus reiner Hilflosigkeit den Notruf, da sie vom kassenärztlichen Bereitschaftsdienst oder der Hausarztpraxis wegen Überlastung zurückgewiesen wurden. Trotz zahlreichen Werbekampagnen ist vielen Menschen zudem immer noch nicht der Unterschied zwischen dem “kassenärztlichen Notdienst” und einem “Notarzt” bewusst. Ersterer ist nämlich der Hausarzt außerhalb regulärer Praxis-Öffnungszeiten, welcher für all die Probleme da ist, die zwar nicht lebensbedrohlich sind, aber dennoch nicht bis zum nächsten Tage warten können. Der Rettungsdienst sollte wiederum nur bei zeitkritischen Notfällen wie Atemnot, Bewusstseinstrübung, Kreislaufproblemen, starken Schmerzen oder schweren Verletzungen gerufen werden.

Auch ein Unwissen um die Nicht-Bedrohlichkeit harmloser Erkrankungen ist leider häufiger als man glauben mag. Da Gesundheitsbildung immer noch kein Schulfach ist und bewährte Hausmittel immer seltener weitergegeben werden, herrscht gerade bei jüngeren Patienten oft fehlendes Wissen wann eine Erkrankung oder Verletzung eigentlich einer notfallmedizinischen Versorgung oder Krankenhausaufnahme bedürfen. Kleiner Tipp: Ein banaler Infekt oder eine leichte Verstauchung fallen nicht in den Zuständigkeitsbereich des Rettungsdienstes.

Doch auch das Gegenteil kommt vor: Es gibt Menschen die erleiden einen akuten Herzinfarkt und quälen sich unter höllischen Schmerzen bis zum nächsten Morgen, da sie niemanden „belästigen“ wollen.

Der Wunsch wäre es, im Rettungsdienst genau das zu tun, wofür das System ursprünglich entworfen wurde, nämlich Patienten mit lebensbedrohlichen oder akut aufgetretenen und dringlich zu behandelnden Erkrankungen so schnell wie möglich zu helfen. Wenn jemand ernsthaft erkrankt oder verletzt ist, dann steht ihm oder ihr unmittelbare und kompetente Hilfe zu, egal ob es nachts um drei Uhr oder Heiligabend ist. Bei weniger schweren Erkrankungen steht die Nummer des
kassenärztlichen Notdienstes unter der 116 117 zur Verfügung. Dieser sollte ebenfalls rund um die Uhr nach akzeptabler Wartezeit verfügbar sein und die Patienten ebenso medizinisch kompetent
behandeln können wie der eigene Hausarzt. So könnten viele Rettungsdienst-Alarmierungen oder
Krankenhaus Einweisungen vermieden werden.

#Wunsch: Interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Akutmedizin

#Wirklichkeit: Fehlender Blick über den Tellerrand

Noch immer sind viele Notaufnahmen in Deutschland streng nach Fachgebieten getrennt und
teilweise auch noch räumlich an unterschiedlichen Stellen angeordnet. Dies verzögert im Falle einer falschen Verdachtsdiagnose die richtige Behandlung und führt dazu, dass Begleiterkrankungen oft übersehen oder unzureichend berücksichtigt werden.
Da sich eine akute Erkrankung oder schwere Verletzung jedoch selten auf eine Fachdisziplin beschränkt, und viele ältere Patienten mehr als ein Problem gleichzeitig haben, ist es wünschenswert, den Menschen als Gesamtes zu behandeln und interdisziplinär zusammen zu arbeiten. Eine alte Dame die aufgrund eines Herzinfarktes gestürzt ist, sich das Bein gebrochen hat und oben drein noch an einem schweren Morbus Parkinson leidet, kann weder der Kardiologe, noch der Chirurg oder Neurologe alleine zufriedenstellend behandeln. Für die Notaufnahme oder den Notarztdienst, wäre es wünschenswert, wenn Notfallpatienten auchvon Fachärzten für Notfallmedizin behandelt würden, die dann im Bedarfsfall entsprechende Spezialisten hinzuziehen könnten und die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Fachdisziplinen in der Akutphase koordinieren.

#Wunsch: Respekt im Umgang und Hilfsbereitschaft untereinander

#Wirklichkeit: Respektlosigkeit und Angriff auf Rettungskräfte

Auch wenn es in der Regel nur die gewalttätigen Angriffe und größten Dreistigkeiten in die Zeitungen schaffen, hatte praktisch jeder notfallmedizinisch tätige Kollege schon wiederholt mit Respektlosigkeiten, Anfeindungen oder gar tätlichen Angriffen zu tun. Da wird blockiert, gepöbelt, gedrängelt und allzu oft hemmungslos gegafft. Man hat das Gefühl, einige Mitbürger sind sich lediglich selbst die nächsten und stellen sich unverhohlen quer, wenn es um die Privatsphäre oder Bedürfnisse Anderer geht.
Wir leben in einer zivilisierten Solidargemeinschaft, in der jeder auf seine Mitmenschen Rücksicht nehmen sollte. Hilflosen oder schwachen Personen wird geholfen, auch wenn dies vielleicht gerade nicht in den Zeitplan passt oder sonst wie ungelegen kommt. Professionellen Helfern, seien es nun Feuerwehr, Polizei oder Rettungskräfte sollte gebührender Respekt entgegengebracht werden. Durch schnelles Absetzen eines Notrufes, Erste-Hilfe und Bilden einer Rettungsgasse kann jeder einen Beitrag leisten, um den Profis die Arbeit zu erleichtern und seinen Mitmenschen etwas Gutes zu tun.

 

Wir danken unserem Gründungsmitglied @Caethan13 für diese eindrücklichen Worte.