Wenn ich am Wochenende Dienst auf unserer Überwachungsstation schiebe, frühstücke ich oft gemeinsam mit den dort tätigen Kolleg*innen. Es vergeht kein Schmaus, ohne dass sich mindestens zwei Drittel der Beteiligten den halben Vormittag lang über die herrschenden Arbeitsbedingungen kritisch auseinandersetzen. Das Thema scheint also mehr als präsent zu sein. Ich wiederum kann mich als Angestellter in diesem Haus glücklich schätzen, mit meinen #Arbeitsbedingungen grundsätzlich zufrieden zu sein. Und ich finde, auch das verdient in unserer Themenwoche Erwähnung.
Seit knapp einem Jahr bin ich Assistenzarzt in der Anästhesie in einem großen Berliner Maximalversorger. Die groben Rahmenbedingungen: ich werde relativ gut betreut, Einarbeitung fand am Anfang zumindest in ausreichendem Maße statt, ich habe in 9 Monaten arbeiten “nur” rund 40 Überstunden gemacht und allesamt dokumentieren können, Anteile davon wurden bereits ausgeglichen. Mein Gehalt ist überdurchschnittlich, steigt regelmäßig, es werden Fortbildungen bezahlt. Und noch besser: ich habe sympathische Kolleginnen und Kollegen, die mich unterstützen, fördern und sich auch mal bei einem Feierabendgetränk austauschen. Ich gehe gerne zur Arbeit!
Aber neben diesen Rahmenbedingungen, die mich allgemein sehr entlasten, gibt es auch aus meiner Perspektive Weichen, die für die Zukunft gestellt werden müssen, um den Alltag in der Medizin auf lange Frist gesund, sicher und für alle Parteien fruchtbar zu gestalten.
Diese Aspekte sind mir am wichtigsten:
#Ausbildung – kann nicht mit dem Studium enden. Konzepte für die Facharztweiterbildung, die über eine Strichliste an Maßnahmen hinausgehen, sind dringend notwendig.
#Patientenfokus – soll Maxime unseres Handelns sein können. Eine dicke Personaldecke, Qualitätsmanagement, evidenzbasierte Medizin und Zeit für Aufklärung und Information sorgt für gut versorgte, glückliche Patienten und konsekutiv auch Mitarbeiter.
#Leitungskräfte – müssen für diese Aufgabe ausgebildet werden. Die Medizin kann nicht der letzte Tätigkeitsbereich bleiben, in dem Teamentwicklung, Ressourcenmanagement und Weichenstellung für die Zukunft durch Menschen geschieht, die oft keinerlei Führungs- und Leitungsqualifikationen genossen haben.
#Vereinbarkeit – mit unserem Leben und dem der Patient*innen. Familie, Ausbildung, Weiterbildung, Ehrenamt, Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes, unterschiedliche Kulturen – all dies sind nur einige Aspekte die mir wichtig sind. Die #Twankenhaus-Themenwoche hat gezeigt, wie groß hier der Gesprächsbedarf ist.
#Ressourcen – sollen fair verteilt werden. Patient*innen und Mitarbeiter*innen sollen nicht unter der Ungleichverteilung von Geldern und Personal leiden müssen. Dafür werden aktuell privilegierte Fachbereiche Abstriche machen müssen.
#Empathie – unter und gegenüber Kolleg*innen und Patient*innen. Krank sein ist belastend und mit erkrankten Menschen zu arbeiten manchmal ebenfalls. Das ist normal und gehört in jedem Fall wertgeschätzt, empathischer Umgang muss daher Pflicht sein. Empathische Kompetenz sollte bei der Zulassung für das Studium mehr wert sein, als ein astronomischer NC.
Meine Bitte : diese Punkte und viele andere wichtige Aspekte werden nur umsetzbar sein, wenn sich alle Beteiligten engagieren – also ran an den Speck! Von der kurzen Intervention des Einzelnen im OP bis hin zur Arbeit auf politischer Ebene. Ein Grund mehr, sich im #Twankenhaus zu organisieren!
Dieser Hoffnungsschimmer und Aufruf zum gemeinsamen Engagement stammt von unserem Teammitglied Simon Link / @sfj_link