Vereinbarkeit ist mehr @Kinderdok

8. März 2019

Ich gestehe, meine Frau und ich haben den klassischen Weg genommen: Wir waren beide mit unserer Ausbildung fertig (ok, ich steckte noch in den Tiefen der Facharztanerkennung), hatten einen festen Job (am gleichen Krankenhaus), haben geheiratet und zwei Kinder bekommen. Während ich weiter gearbeitet habe, nahm meine Frau die Elternzeit für jeweils zwei Jahre, hat zwischenrein wieder in Teilzeit gearbeitet, immer weiter aufgestockt, je älter die Kinder wurden, so dass wir beide nun wieder voll arbeiten. Soweit, so spießig, so etabliert, so machen es vermutlich viele. Nicht zuletzt waren wir in der typischen Konstellation, dass ich als Arzt deutlich mehr verdient habe als meine Frau als MTA.

Aber Vereinbarkeit geht über das Vereinen vom Kindergroßziehen bei gleichzeitiger Ausbildung oder Arbeit im Gesundheitswesen hinaus. Vereinbarkeit ist auch, seine Kinder abends ins Bett zu bringen, paritätisch an Elternabenden teilzunehmen oder den gleichen Anteil am Haushalt zu übernehmen wie der/die andere.

Ich bin Kinder- und Jugendarzt in eigener Praxis seit über fünfzehn Jahren, meine Frau ist MTA, ich beschäftige acht Medizinische Fachangestellte in Teilzeit, die alle Kinder haben und Männer, die alternierend Schicht machen, und hoffentlich eine oder zwei Großeltern, die die Kinderübergabe garantieren. Ich habe tagtäglich Eltern in der Praxis, die nur zu uns kommen, weil sie einen „Kinder-Krank“-Schein bekommen (am 1. Tag, wie das die meisten Arbeitgeber verlangen!), und ich diesen Schein nur nach Begutachtung des Kindes herausrücken darf.

In einem #Twankenhaus, einer #Twaxis, einem #Twesundheitssystem, in dem Vereinbarkeit eine Selbstverständlichkeit ist, wird niemand schief schauen, weil Du Dein Kind genau jetzt von der Kita abholen musst. Deine vertraglich zugesicherte 25-Stunden-Woche ist tatsächlich eine und keine faktische Vollzeitstelle, und Dein Arbeitgeber glaubt Dir, wenn Du sagst, dass Dein Kind krank ist, die #Twankenkasse zahlt das Krankengeld ab dem ersten Tag. #Twankenhäuser haben eigene Kindertagesstätten, in denen Du in der Pause auch mal nach Deinem Kind schauen darfst, und die bereits um 6 Uhr öffnet und Dich freudig und nicht vorwurfsvoll erwartet, wenn Du Dein Kind nach Deinem Dienst wieder abholst.

Für die niedergelassenen ÄrztInnen neben dem #Twankenhaus wünsche ich mir weniger Bürokratie, damit die tatsächliche Arztzeit dem Heilen und nicht dem Verwalten von PatientInnen dient, ich wünsche mir eine zeitgemäße Bedarfsplanung, damit wieder ausreichend Versorgerpraxen zur Verfügung stehen, damit Patienten nicht wochenlang nach einer Praxis suchen müssen, vor allem Eltern mit ihren Kindern Hebammen und KinderärztInnen finden.

Der Nachwuchs im Gesundheitssystem bröckelt. Wir wollen helfen, wir wollen heilen, wollen therapieren, aber das können wir nur, wenn wir selbst nicht zum Burn-out-Pflegefall werden. In einem fairen #Twankenhaus jammert niemand mehr, Work und Life sind in Balance, so dass unsere schönen Berufe wieder gerne ergriffen werden.

Kinderdok